Modellprojekte stärken und unterstützen

Im Gespräch mit Dr. Karim Fathi

Über Dr. Karim Fathi

Dr. Karim Fathi ist forschend und beratend tätig zu den Themen Kommunikation, Konfliktmanagement, (Team-)Resilienz, Entscheidungsmanagement und agile Methoden. Unter anderem ist er als SCRUM Master und Product Owner (www.scrum.org), K-i-E Agile Master und Konfliktberater zertifiziert. Akademische Abschlüsse: Diplom-Sozialwirt (Universität Hamburg), M.A. Friedens- und Konfliktforscher (Philipps-Universität Marburg), Dr. phil. (Europa-Universität Viadrina Frankfurt/Oder). Nach seinem Studium war er unter anderem als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Berghof Conflict Research Institute und als Consultant bei der Joschka Fischer and Company GmbH tätig, bevor er sich 2012 für die Freiberuflichkeit entschied. Seitdem hat er Lehrerfahrung in einem Dutzend Hochschulen und umfangreiche Beratungserfahrung als Partner der Organisationen DIE DENKBANK und Akademie für Empathie gesammelt. Darüber hinaus ist er Trainer der Akademie für Internationale Zusammenarbeit der GIZ.

Im Bundesprogramm „Demokratie leben!“ engagiert er sich im Rahmen der Qualitätswerkstatt Modellprojekte (QMP) und der Dialogwerkstatt zum bundeszentralen Träger (DBT) als Experte für agiles Projektmanagement, Konflikt- und Stress-Management sowie Resilienz.

Qualitätswerkstatt und Dialogwerkstatt sind Begleitprojekte im Bundesprogramm „Demokratie leben!“, die den geförderten Modellprojekten und C-Trägern Unterstützung bei aktuellen Herausforderungen im Bereich des Projekt- und Qualitätsmanagements sowie der Organisationsentwicklung anbieten. Beide Begleitprojekte kooperieren dabei mit einem gemeinsamen Pool von 18 Fachberater*innen und Expert*innen, die über ausgewiesene methodische und beraterische Kenntnisse verfügen. Die angebotenen Unterstützungsformate sind für die beratenen Modellprojekte und C-Träger vertraulich und kostenfrei.

Im Gespräch mit Dr. Karim Fathi haben wir uns zu Methoden des agilen Projektmanagements ausgetauscht.

Qualitätswerkstatt Modellprojekte: Herr Dr. Fathi, aus Ihrer Erfahrung im Bereich des agilen Projektmanagements gesprochen: Wie lässt sich „agiles Projektmanagement“ kurz charakterisieren? Worin besteht für Sie der entscheidende Unterschied zum „klassischen“ Projektmanagement?

Dr. Karim Fathi: Im klassischen Projektmanagement wird angenommen, dass man zu Beginn des Projekts in einer abstrakten Klärungsphase die Anforderungen und Lösungsansätze von langer Hand planen kann. Agiles Prozessmanagement beruht hingegen auf der Erfahrung, dass viele Entwicklungsprojekte zu unvorhersehbar sind, als dass sie in einem vollumfänglichen Plan gefasst werden könnten. Dabei wird versucht, diese Unklarheit zu beseitigen, indem funktionsfähige Zwischenergebnisse in iterativen Arbeitsprozessen geschaffen werden. Anhand dieser Zwischenergebnisse lassen sich die fehlenden Anforderungen und Lösungstechniken effizienter finden.

Qualitätswerkstatt Modellprojekte: Ihr Schwerpunkt im agilen Projektmanagement liegt beim „Scrum“-Modell, das ursprünglich aus der Softwareentwicklung stammt. Was sind die Grundannahmen dieses Modells?

Dr. Karim Fathi: Scrum basiert auf der oben dargestellten Grundannahme, dass sich komplexe Entwicklungsprojekte effizienter mit einem auf Empirie (d. h. lieber Prototyping statt abstrakter Diskussionen), inkrementellen (d. h. schrittweisen) und iterativen (d. h. sich wiederholenden) Prozessen managen lassen, statt von Vorneherein alles richtig planen zu wollen. Im Vergleich zu anderen agilen Methoden hebt sich Scrum durch eigene Begriffe und mehrere formale Komponenten ab (z. B. konkrete Workshop-Formate mit klaren gestalterischen Vorgaben, konkrete Team-Rollen).

Qualitätswerkstatt Modellprojekte: Auf den ersten Blick sind diese Ansätze zunächst einmal sehr betriebswirtschaftlich und stark an technischen Entwicklungsprozessen orientiert – wie können aus Ihrer Sicht auch zivilgesellschaftliche Organisationen und Modellprojekte vom agilen Projektmanagement profitieren?

Dr. Karim Fathi: Zwar ist Scrum in der IT-Branche entstanden, aber das eigentliche Anliegen von Scrum und allen agilen Methoden ist die Handhabung komplexer, langfristig nicht planbarer Prozesse. Da zivilgesellschaftliche Organisationen und Modellprojekte systemisch betrachtet von jeher in einem Umfeld operieren, das von hoher Komplexität und damit Unvorhersehbarkeit und Unüberschaubarkeit geprägt ist, können sie meines Erachtens sicherlich von den Einsichten des agilen Prozessmanagements profitieren, und zwar mindestens in dreierlei Hinsicht:

  1. Durch die inkrementell-iterative Herangehensweise wird eine bessere Reaktionsfähigkeit in Bezug auf unvorhersehbare Ereignisse ermöglicht.
  2. Durch die regelmäßige Abstimmung mit den „Klient*innen“ des Projekts (und den daraus folgenden weiteren Anpassungen) profitieren diese zum Projektende von einem Ergebnis, das am ehesten ihren Bedürfnissen entspricht.
  3. Die Formalisierung der Workshop-Ereignisse geht zudem auch mit einer zeitlichen Begrenzung der Arbeitszyklen einher – Mehrarbeit und Überstunden werden bei der richtigen Umsetzung von Scrum ausdrücklich vermieden.

Dies hat enorm positive – und in der Praxis oft unterschätzte – Auswirkungen auf die Mitarbeitergesundheit und trägt zur langfristigen Aufrechterhaltung einer konstant hohen Leistungsfähigkeit bei.

Qualitätswerkstatt Modellprojekte: Welche Elemente lassen sich Ihrer Einschätzung nach besonders gut integrieren und können die Umsetzung von Modellprojekten unterstützen?

Dr. Karim Fathi: Meiner Erfahrung nach lassen sich für sämtliche Entwicklungsprojekte, die systemisch betrachtet als komplex anzusehen sind, mindestens zwei Elemente aus dem agilen Prozessmanagement integrieren. Dies beinhaltet für die lokal tätigen Teams unter anderem:

  • Größtmögliche Selbstorganisation und entsprechende Entscheidungsfreiheit über die Tasks und über die Zwischenziele;
  • Inkrementelle Entwicklung und ständige Überprüfung in iterativen Prozess- und Lernschleifen.

Diese zwei Elemente sind nicht nur typisch für agile Methoden, sondern finden sich auch in anderen Verfahrensmodellen komplexer Prozesssteuerung, z. B. der Managementkybernetik/systemischen Beratung oder dem Design Thinking, um nur einige zu nennen. Sie könnten als abstrakte Orientierungsprinzipien für die komplexitätsadäquatere Umsetzung von Modellprojekten dienen. Aus einer anderen, konkreteren Perspektive könnte es sinnvoll sein, über eine komplette Umsetzung von Scrum nachzudenken, wie es bereits vielerorts branchenübergreifend (selbst in Verwaltungen) der Fall ist. Scrum selbst versteht sich als ein „Alles oder nichts“-Ansatz – d. h. entweder setzt man Scrum mit all seinen Komponenten um oder lässt es ganz bleiben.

Qualitätswerkstatt Modellprojekte: Wenn bisher in Projekten eher ein klassisches Projektmanagement genutzt wurde, wie kann der Übergang zur Nutzung agiler PM-Methoden gelingen?

Dr. Karim Fathi: Meine Empfehlung wäre, mit einer Fortbildung der Mitarbeiter*innen in Scrum/agilen Methoden und dann mit einer konsequenten Umsetzung von Scrum/agilen Methoden in einem Leuchtturmprojekt zu beginnen. Dieser Prozess müsste sorgfältig beobachtet und evaluiert werden. Wenn die Umsetzung klappt, könnte die Methode auf weitere Teams und Projekte ausgeweitet werden.

Qualitätswerkstatt Modellprojekte: Herr Dr. Fathi, wir danken Ihnen für das Gespräch!